Gesundheit ist verschieden...

Gesundheit als Konzept?

Gesundheit ist verschieden...
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von Conny Dollbaum-Paulsen
(letzte Überarbeitung: 17. Februar 2020)

"Ich bin gesund...!" ist ein Satz, den wir alle verstehen. Jedenfalls glauben wir das und denken, wir würden alle das Gleiche damit meinen. Weit gefehlt, denn gesund ist für jeden Menschen etwas Anderes.

Je nachdem, welches innere Konzept in uns wirkt, gehen wir mit Gesundheit und Krankheit unterschiedlich um. Unsere Bewertung, ob Krankheit eine Geißel oder ein Geschenk ist, hängt von unserem Weltbild ab. Das ist insofern wichtig, als Psychoimmunologie und Neurobiologie mittlerweile gut zeigen können, wie eng unsere psychisch-mentalen Grundmuster mit der körperlichen Befindlichkeit zusammenhängen. Mit anderen Worten: Unser innere, meist unbewusst wirksame Vorstellung was krank oder gesund ist, wirkt real auf unsere Gesundheit ein. Unser Konzept entscheidet darüber, wie wir mit Störungen gesundheitlicher Art umgehen.

Hinweis:
Die hier vorgestellten „Gesundheitskonzepte von Laien sind von Prof. Dr. Alexa Franke, an der Uni Dortmund erforscht worden und dem Buch Modelle von Gesundheit und Krankheit entnommen.

Teil 1: Störungsfrei und arbeitsfähig

Mit tut nichts weh, also bin ich gesund
Wahrscheinlich ist dies das Konzept mit der größten Verbreitung. Gesund ist, wenn nichts wehtut und alles funktioniert, wie es gedacht ist. Ich spüre den Körper überhaupt nicht, der Magen beispielsweise tut seine Dienste, ohne dass er sich bemerkbar macht. Er, der Magen, geht seiner Arbeit nach, zerlegt das Aufgenommene und tut dies in aller Stille. Esse ich Unverdauliches, meckert er, wird spürbar, schmerzt, krampft und nimmt mir das Gegessene übel. Dann bin ich beeinträchtigt und, je nach Intensität und Dauer der Beschwerden, auch krank. Ich muss mich an Regeln halten, keine Frage, zu häufig und zu viel Unverdauliches zu essen kann nicht gesund überstanden werden. Zum Glück verfügen wir, je grundgesünder wir sind, über sehr viele kleine und große interne Reparationsmechanismen, die auch bei Störungen dafür sorgen, dass wir uns gesund, weil beschwerdefrei, fühlen.

Gesund heißt: Alles reibungslos

Ein gesunder Körper spürt sich nicht…jedenfalls nicht, ohne hinzuhorchen. Knie, Schultern Köpfe, Därme und Mägen laufen wie am Schnürchen und machen sich nicht extra bemerkbar. So soll es sein. Da stellt sich schnell die Frage: Kann ich über meinen Körper hinweghören? Ihn nicht spüren, obwohl er meckert. Den Knieschmerz ignorieren, ebenso das Völlegefühl nach fettem Essen. Und was bedeutet das dann für meine Gesundheit?

Die meisten von uns sind meisterliche Symptom-Überseher*innen: Wir überhören gern innere Stimmen, weil wir uns nach Störungsfreiheit sehnen. Und das heißt konkret: Wir wollen tun und lassen, was wir wollen – und nicht, was uns der Körper nahelegt. Wir sagen „Alles prima“, weil das modern ist und können das nur tun, weil wir nicht genau hin spüren. Gesund ist das nicht…

Magenmittel und die Lust zu schlemmen

Bezogen auf unseren Magen heißt das: Essen was das Zeug hält, alles durcheinander, egal, wie alt ich bin, was für ein Wetter ist, ob morgens oder abends, gern mit Sahne, viel süß, vor allem: viel.

Die Zahl derjenigen, die regelmäßig unverträgliche Dinge essen und anschließend die dadurch verursachten Beschwerden mit allerlei Pharmazie bezwingen, findet sich in einer beeindruckenden Statistik: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/181395/umfrage/haeufigkeit-verwendung-von-schmerzmitteln-gegen-sodbrennen/

Die Rückseite der Funktion: Depression

Noch klarer wird die Schattenseite dieser Denkweise, durch eine Statistik der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen http://www.medikamente-und-sucht.de/presse/zahlen-daten-fakten.html. Wir können nicht schlafen, haben zu viel Hunger, wollen mehr Muskeln und keine Rückenschmerzen haben – kein Problem. Es gibt für alles frei verkäufliche Medikamente, mit deren Hilfe wir unsere Körper wirksam „unfühlbar“ machen können. Denn dann fühlen wir uns gesund und frei, alles zu tun, was wir wollen – ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten und innere Warnungen.

Uns nicht zu spüren, führt zu Sucht, zu Depression, zu Burnout und zu Verzweiflung - das wissen wir alle in der Tiefe...wir müssen uns nur trauen, zuzuhören - der Rest geschieht dann von selbst, weil unsere Körperweisheit klüger ist als unser Verstand. Denn der redet uns ein, dass Leistungsfähigkeit das höchste Gut ist...

Zurück zum Ganz-Sein

Nicht umsonst ist es so, dass in vielen ganzheitlichen Begleitungen der Körper als wichtigster Anzeiger für unsere wahre (innere) Befindlichkeit, körperlich, seelisch und geistig, genutzt wird. Den Atem achtsam zu spüren, heißt wahrzunehmen, wie aufgeregt, traurig, gelassen, hungrig, müde oder ängstlich ich gerade bin. Der Body-Scan aus der Achtsamkeitsarbeit, eine Reise durch den Körper, zeigt, wo Stress, Schmerz und Unwohlsein liegt – diese Zeichen spüren zu wollen und sie als Wegweiser zu benutzen, ist wohl der wichtigste Unterschied zwischen schulmedizinischer und ganzheitlicher Behandlung.

Hier finden Sie übrigens Heilnetz-Therapeut*innen,

Teil 2: Gesundheit als funktionale Fitness

Ich kann alle Aufgaben erfüllen und den Alltag ohne Mühe bewältigen.

Diese Haltung vertrat Sigmund Freud https://de.wikipedia.org/wiki/Sigmund_Freud, er definierte Gesundheit als die Fähigkeit zu lieben und zu arbeiten. Sie bezieht sich auf aktive Teilhabe an der Welt, darauf, wirksam und aktiv zu sein. Dies ist eine Haltung, die ein Hinter-dem-Ofen-Sitzen eher nicht für erstrebenswert hält. In den Industrienationen hat sich dieser Ansatz tief in unsere Köpfe geschlichen und dort als vermeintliche Wahrheit fest verankert. In einer Gesellschaft, deren Zentrum von Arbeit und Wirtschaft definiert wird, deren Politik sich an der Steigerung des Bruttosozialproduktes misst und nicht an der Lebenszufriedenheit der Menschen, ist dieses Gesundheitsverständnis naheliegend. Auch hier gibt es eine positive Entwicklung in Europa, wie die Zuhilfenahme des Better Life Index zeigt. https://www.heilnetz-owl.de/news/wie-misst-mensch-glueck.html

Krank sein ist schlimmer

Zurück zur These: wer gesund ist, kann arbeiten…Das heißt umgekehrt: Wer krank ist, leistet seinen Beitrag nicht. Wer seinen Beitrag nicht leistet, fällt durch viele Maschen: sozial, wirtschaftlich, bezogen auf den Status. Wer nichts leistet hat keinen Erfolg, und das ist so schlimm, dass daraus eine zusätzliche Belastung für die Seele entsteht – was für ein Teufelskreis.

Die zunehmende Zahl der Depressionserkrankungen, häufig ausgelöst durch Überforderung aber auch durch Langzeitarbeitslosigkeit legen die Frage nahe: Warum leben sir so? Und was hat das mit unserer Gesundheit, die wir als so hohes Gut beschreiben,  zu tun? https://www.heilnetz-owl.de/news/wie-misst-mensch-glueck.html

Wer liebt ist gesund...und bleibt es länger

Der zweite Teil der Freud’schen Behauptung: Gesund ist, wer liebt!  vertieft das Dilemma beinahe noch. Die Liebesentwicklung scheint in Gefahr…wie sonst lassen sich die zunehmende Zahl der Single-Haushalte interpretieren? Singles mögen freier weil ungebundener sein, sie leben aber ungesünder und sterben früher… https://www.liebewohl.de/inhalt/singlesein.htm#statistische_daten

Wer liebt, fühlt sich verbunden. Verbundenheit bedeutet: Ich gehöre dazu, ich habe ein Gegenüber, das mir wohlgesonnen ist. Ob dieses gegenüber ein Geliebter, eine Katze oder eine Gemeinschaft ist, scheint oft nicht maßgeblich. Dies überhaupt zu können, postuliert Freud als gesund. Wer nicht lieben kann, ist krank – sicher eine Erkenntnis aus seiner Arbeit als Psychotherapeut.

Tatsächlich gilt auch der umgekehrte Satz: Wer liebt, ist gesünder. Liebesgefühle erzeugen nämlich neurophysiologisch einen guten Boden für Gesundheit – das ahnte Freud, wissenschaftlich belegt ist es erst seit wenigen Jahren https://bessergesundleben.de/wie-beeinflusst-die-liebe-unsere-gesundheit/  

In der nächsten Woche geht es um weitere Konzepte:

  • Gesundheit als persönliche Ressource
  • Gesundheit als Verdienst und Folge von Disziplin

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