Wie uns die Lebensmittelindustrie manipuliert

Gefährlich lecker

Wie uns die Lebensmittelindustrie manipuliert
© Heyne Verlag

von Conny Dollbaum-Paulsen
(letzte Überarbeitung: 14. Juli 2023)

Über zwei Grundannahmen bezogen auf Gewicht und Fettleibigkeit sind sich die meisten Menschen einig: wer sich viel bewegt, nimmt ab und Schlanksein ist eine Frage des Willens.

Beide Aussagen sind falsch - und das ist keine Behauptung eines Abnehm-Gurus, sie basiert auf wissenschaftlich fundierten und gut geprüften Fakten des Arztes Chris van Tulleken, der sich seit vielen Jahren mit Forschungen zu Gesundheit und Ernährung beschäftigt.

Tatsächlich muss es uns doch verwundern, dass ein so lebenswichtiges System wie das der Grundversorgung mit Energie unserer persönlichen Regulierung unterworfen sein soll. Anders als Herzschlag, Atmung und Regulierung des inneren Milieus, die über komplexe neuro-chemische Mechanismen weitgehend autonom reguliert werden, damit nix schief gehen kann, weil wir vergessen zu atmen oder ähnliches, soll ausgerechnet die Energieversorgung in unseren persönlichen Händen liegen?

Glauben wir den tausenden von Studien, die zum großen Teil direkt oder, aller gesetzlichen Forderung nach Transparenz zum Trotz, indirekt von der Lebensmittelindustrie gesponsort sind, ist das der Fall. Wir sollen glauben, dass mehr Bewegung, ein starker Wille und das Durchziehen von Low-Carb, also einer Kohlenhydrat-reduzierter Ernährung maßgeblich dazu beitragen, Normalgewicht zu erreichen. Tatsächlich ist das ein Irrtum.

HVL - Hoch verarbeitete Lebensmittel und Armut

Was wir nicht wissen: Armut und Stress, der häufig mit Armut oder Armutsbedrohung einhergeht, spielen eine sehr viel größere Rolle bei der Gewichtsregulation als normaler Haushaltszucker. Weil HVL billiger sind als Gemüse. Weil sie in jedem Supermarkt verfügbar, lecker und schnell zuzubereiten sind. Weil Fast-Food-Ketten gerne dort angesiedelt sind, wo Jugendliche keinen anderen Treffpunkt mehr haben. Die unabhängige, von UNICEF und der WHO unterstütze Forschung sagt: Wer selber kocht und backt, sogar mit Zucker, Butter, weißem Mehl, aber keine hochverarbeiteten Lebensmittel wie Tiefkühlpizza, Kekse, Fertiggereicht, Müsliriegel etc. zu sich nimmt, kann sozusagen nicht extrem übergewichtig werden – es sei denn, es läge eine genetisch bedingte oder psychisch relevante Erkrankung zugrunde.

Gefährlich und krankmachend

HVL sind eigentlich keine Lebensmittel – sondern perfide konstruierte Suchtstoffe, die unseren Hirnstoffwechsel ähnlich krass beeinflussen wir Alkohol, Nikotin und Heroin.

Wir sollen die perfekt gestylten, sehr schmackhaften HVL, für deren physiologisch sinnvolle Regulation unser Gehirn keine Strategien hat, weil es sie gar nicht als Nahrungsmittel erkennt, in rauen Mengen zu uns nehmen. HVL verändern unsere Gehirne, machen süchtig und genau diese Wirkung ist beabsichtigt. Weil damit maximaler Profit generiert werden kann. Nicht nur durch den Verkauf, sondern im zweiten Schritt durch Diät- und Gesundheitsprodukte, Fitness-Apps, Kliniken, Gesundheitsprogramm – ein Netz von profitablen Hilfen für Probleme, die bewusst erzeugt oder deren Entstehen zumindest toleriert wird.

Der Verlag schreibt dazu:
Chris van Tulleken zeigt einen einzigen Grund auf, der hierfür verantwortlich ist: hochverarbeitete Lebensmittel – sie sind allgegenwärtig und selbst für ernährungsbewusste Menschen nicht ohne Weiteres vermeidbar. Hochverarbeitete Lebensmittel manipulieren unsere Körper – und das ist von der Industrie durchaus gewollt. Ihre Produkte sollen uns süchtig machen und uns dazu verführen, immer mehr zu kaufen und zu essen.

Was hilft?

Eine weltweite Politik, die sog. Lebensmittel-Konzernen das Handwerk legt, die Armut bekämpft und ein gutes Leben für alle Menschen als Hauptziel hat. Die Food-Deserts, also Gegenden, in denen es im nahen Umkreis kein einziges echtes Lebensmittel zu kaufen gibt, verbietet. Die Jugendzentren nicht schließt, sondern flächendeckend fördert...

Wer beruflich mit Gesundheit, insbesondere mit Ernährung und/ oder an Übergewicht leidenden Menschen zu tun hat oder selbst betroffen ist, sollte dieses Buch lesen. Chris von Tulleken lässt uns an seinem Selbstversuch teilhaben, sich 4 Wochen ausschließlich mit HVL zu ernähren, inklusive der ausführlichen medizinischen Untersuchungen, und versorgt die Leser:in zusätzlich mit einer Fülle gut geprüfter haarsträubender Informationen.

Auch Laien werden keine Mühe haben, das Buch zu lesen – allerdings wir danach für die meisten eine Tiefkühlpizza nicht mehr dasselbe sein wie vor der Lektüre. Was zu hoffen ist.

Chris von Tulleken
Gefährlich lecker
Wie uns die Lebensmittelindustrie manipuliert, damit wir all die ungesunden Dinge essen – und nicht mehr damit aufhören können
Gebundenes Buch
ISBN 978-3-453-21847-5
€ 24,00
Verlag Heyne

Zu bestellen in der Buchhandlung vor Ort oder bei buch 7, dem Onlinebuchhandel mit der sozialen Seite: https://kurzelinks.de/26zr

Der Autor: Chris von Tulleken

Chris van Tulleken, Jahrgang 1978, ist praktizierender Arzt, außerordentlicher Professor am University College London und für die BBC tätig. In seiner wissenschaftlichen Arbeit fokussiert sich van Tulleken auf die Integrität von Forschungsergebnissen und auf Interessenskonflikte bei Studien, insbesondere in Bezug auf Babynahrung. Als Fernseh- und Radiomoderator der BBC hat er zahlreiche Programme mit medizinischen Themen entwickelt und präsentiert. Er ist zweifacher Gewinner des British Academy Film Awards und wurde weitere fünfmal hierfür nominiert.

Informationen von der Homepage Penguin/ Randomhouse

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